Christian Keilig________________________________________________________________________e-mail an Christian


Es war damals etwas ganz Besonderes für mich als achtzehnjähriger Schüler gefragt zu werden, ob ich nicht in einer „Band“ mitspielen wollte. Rodger, der damalige Bassist der Gitarrengruppe der ev. Kirche in Biebesheim, hatte mich wohl schon mal mit meinem Keyboard unterm Arm gesehen. Da ich so gar nicht wußte was mich da erwartet, sagte ich mit zuckenden Schultern und einem „Joa“ zu.

Da saßen dann dienstags abends auch Dagmar und Raimund im Gemeindehaus als ich mit meinem im Pappkarton eingepackten Keyboard und dem Netzteil lose in der Hand den Raum betrat. Lächelnd saßen sie da, irgendwie selig und voller Vorfreude auf das, was gleich passiert. Denn dann verwandelte sich der Saal des Gemeindehauses in einen Proberaum. Mikrofonständer wurden plaziert, Kabel gelegt, mir ein Tisch für mein Keyboard hingestellt. Jeder richtete sich seinen eigenen Wirkungsbereich großzügig ein, im Halbkreis, nebeneinander, wie auf einer kleinen Bühne. Ja, großzügig haben wir aufgebaut – obwohl soviel gar nicht aufzubauen war. Drei Mikrofone mit Ständern und Kabeln, zwei selbstgebaute Boxen aus Sperrholz, verkabelt mit unserem in die Jahre gekommenen Mischpult. Nicht zu vergessen allerdings die eigenen Instrumente: Rodger am Baß, Dagmar und Raimund mit ihren E-Gitarren und meine Wenigkeit am Keyboard.



Daß ich damals alles andere als ein Tastenvirtuose war, hat mich nicht sehr beunruhigt. Es schien, als würde diese ganze Sache, die Band, erst langsam anlaufen. Eine handvoll Kopien aus Liederbüchern wurden rumgegeben, Akkorde angeschlagen, zeilenweise drauf los gesungen um die neu aufgelegten Songs erstmal zu analysieren und kennenzulernen. So konnte ich mich auch ganz langsam rantasten. Mit „Der macht da mit der Orgel da-da-dada – da-da-dada!“ bekam ich beispielsweise die Orgelmelodie von „Venus“ von Shocking Blue erklärt. Und nachdem ich das ein, zweimal spielte, stieg der Rest der Band voller Vorfreude mit ein und schon waren wir mittendrin.

Wo man heute seine Musik überall dabei hat, die komplette Liedersammlung auf USB-Geräten speichert und im Notfall mal schnell was aus dem Internet runterlädt, hat man sich 1994 noch Songs vom Kumpel auf Kassette überspielen lassen oder gewartet, bis sie im Radio laufen. Und ohne das Internet mußte sich zwangsläufig immer einer der Bandmitglieder den Vorbereitungen für die nächste Probe annehmen, meistens war das Rodger, und neue Texte aus Büchern  zu kopieren, oder „von der CD rauszuhören“ und auf Schreibmaschine tippen.

Und Rodger wußte gleich, was da paßt und was uns liegen könnte. „Bad moon rising“, „Sugar, sugar“, „Nights in white satin“, „House of the rising sun“ hießen die ersten Songs von Take 5, obwohl wir die Band zu diesem Zeitpunkt noch überhaupt nicht getauft hatten. Irgendwie traf mich dieser Musikgeschmack und die Euphorie der anderen Drei genau ins Herz – denn wenn die meisten meiner Schulkameraden „Dr. Alban“, „Milli Vanilli“ und „New Kids on the block“ hörten, drehte ich in meinem Zimmer die
Ariola-Kassette „Rock Songs“ von Elvis so richtig laut.

Und wie hab ich mich gefreut wenn mich die Freunde fragten „wie, du hast Bandprobe? Du spielst in’ner Band?!"

Dass der Keyboarder nur auf seinen Tasten rumdrückt, wollten die anderen beiden bald ändern. Es galt alle Kapazitäten auszuschöpfen. „Sing doch auch mit – vielleicht obendrüber!“ Es dürfte wohl der Refrain von „Nights in white in satin“ gewesen sein, in dem ich mit „and I love you, oh I love you, oh-how I love you!“ meine erste Oberstimme plazierte – mit dünner Stimme, zögerlich – aber unheimlich stolz.

Als der Kirchenchor den Gemeindesaal dienstags benutzen wollte, mußte die „kleine Gitarrengruppe“, die noch nicht Take 5 hieß, ausweichen. „Wir gehen einfach in Zukunft runter in den Disco-Keller“ entschied Rodger gleich. Und das war doch schon viel mehr einer Rockband entsprechend. Da war schummeriges Licht aus UV-Lampen, verstaubter Boden, niedrige Decken und es roch nach kaltem Zigarettenqualm. Der angrenzende Abstellraum wurde scheinbar schon jahrzehntelang nicht mehr genutzt und außer den zahllosen selbstgemachten Tonfiguren in den Wandregalen hielt uns nichts davon ab, nach der Probe unser Equipment dort zu lagern, so daß wir von da an keine Instrumente mehr zur Probe schleppen mußten und außerdem ab sofort die Hände frei hatten für Brot, Wurst, Cola und Bier. Das bot sich an, da wir während der zeitlich überschaubaren Kirchenchorprobe „über uns“ zwischen 20:00 und 21:00 Uhr keine laute Musik machen konnten. Also war eine Stunde lang Vesper angesagt. Das sollte der Grundstein sein für den Proben-Ablauf, wie er sehr ähnlich auch 18 Jahre danach noch aussehen sollte.

Einen Trommler hatten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Aber die Sterne standen sehr gut – und eine Rockband braucht einen Drummer. Zum einen kannte ich den Schlagzeuger aus dem Ev. Bläserchor gut, zum anderen lagerte das Schlagzeug der „Bläser“ im Gemeindehaus, da dort immer geprobt wurde. Und „wenn man die mal nett fragt, können wir’s bestimmt ab und zu benutzen!“

Thomas Hedderich, der bei uns – ja, eigentlich überall – nur „Hedde“ hieß, war Feuer und Flamme, paßte prima zur Band und hatte sich wohl auch nach so einem Gefüge gesehnt. Man hörte an seinem Stil, daß er eine riesige Freude daran hatte einfach mal so richtig „druffzukloppe“,
so daß wir ihn schon hier und da mal bremsen mußten.

Irgendwie haben wir es dann auch geschafft ein paar kleinere Auftritte an Land zu ziehen. Eine Hochzeit, einen Geburtstag, Kirchfest, Sommerfest vorm Supermarkt. Und auch in dieser Zeit wurde uns klar, daß wir in Zukunft eine Antwort parat haben wollen wenn jemand fragt, wer wir eigentlich sind. Also trafen wir uns zu einer ersten großen Besprechung zum Pizza essen und haben zwar keinen außergewöhnlichen aber dafür schnell einen passenden Namen gefunden. Denn wenn man eine 5-Mann-Band bucht,
dann bekommt man zwangsläufig auch 5 Mann.

Also fordern wir seitdem „Take 5!“

 
Oben: Kirchfest in Biebesheim
Im Hintergrund Rodger, Raimund, Dagmar & Christian (v.r.n.l)

Doch Raimund und Dagmar, damals beide verheiratet – aber nicht miteinander, standen wohl zu oft in der Probe mit ihren Instrumenten zu eng nebeneinander… denn es bahnte sich eine gemeinsame Zukunft an. Die beiden gingen bald gemeinsame Wege und beschlossen, sich mehr auf diese als auf eine Rockband zu konzentrieren. Das alles passierte ziemlich schnell. Aber das lag vielleicht auch daran, daß für Raimund und Dagmar klar war: Sie streben nicht auf große Bühnen und nach verrockten Nächten. Rodger und ich waren plötzlich zu zweit alleine – wußten aber zumindest, daß es weitergehen muß – irgendwie. „Ich frag mal den Joe!“ brachte er bald vor. Wie klang das für mich ?! War das ein weit in der Welt rumgekommener Musiker, womöglich Amerikaner, der uns bald diese bequeme und familiäre Band, 
oder das was von ihr übrig war, infiltriert und die Fäden übernimmt ?!

Ganz anders… !

 

Joe, der eigentlich Michael heißt, kam lächelnd, mit lässigem Gang und mit rotem Hemd und blauer Weste in den Keller, als wollte er sagen: „Wurde ja auch Zeit, daß ihr euch meldet.“ Rodger wußte, daß er auch singen kann (die beiden hatten vor vielen Jahren sogar schon mal in einer Band gespielt) und stellte auch gleich ein Mikro für ihn auf. Und wie präsent er war, nicht nur stimmlich… ! Und auch gerade deshalb dachten wir uns, daß so ein Musiker wohl ein Reisender ist und unsere „Institution“ nicht dauerhaft unterstützen würde. Unsere Frage „Ob der noch mal wiederkommt?!!“ beantwortete Rodger spontan mit „Glaub mir, der kommt wieder!“

Ja, Joe kam wirklich wieder. Dadurch hatten wir eine glasklare Stimme am Mikrofon, einen Frontmann und natürlich einen richtigen E-Gitarrist. Und einen Haufen Ideen hat er mitgebracht, zum großen Teil natürlich aus seiner musikalischen Vergangenheit und natürlich seine in letzter Zeit favorisierten Songs, die er endlich selbst mal an der Gitarre ausprobieren konnte. Und diese Konstellation paßte wie die Faust auf’s Auge. Rodger, Joe und ich hatten alle einen Riesenspaß beim dreistimmigen Gesang und daß gerade Hedde und ich, die „viel jüngeren“ mit diesen beiden älteren, musikerprobten Haudegen grinsend nebeneinander Musik machen durften, ehrte uns doch sehr.

Zu dieser Zeit, es war 1998, prägte uns auch ein Spruch von Joe, der immer wieder im Proberaum zitiert wurde: "Leuts, wir müssen raus!"
Und da wir zwar auch mussten aber mindestens genauso viel wollten, wurde zielstrebig daran gearbeitet, gut zu werden - routiniert zu werden - was auf die Bühne zu bringen. Und da wollten wir natürlich voll auffahren. Was, dachte ich mir, wenn wir mal meinen Kumpel Markus fragen, ob er nicht bei unseren Auftritten seine bunten Lampen auf der Bühne aufhängen will !?! Von da an waren wir endlich zu fünft und konnten nicht nur musikalisch sondern auch showtechnisch echt was vorzeigen. Seitdem räumt er jedesmal eine Wagenladung, wie er immer sagt, auf und vor unsere Bühnen und sorgt dafür, dass der Stromzähler noch ein ganzes Stück schneller läuft ... !!!


Wir räumten erstmal noch eine ganze Weile unsere Gerätschaften zum Proben in den Disco-Keller und wieder zurück, bis wir uns die gar nicht mal so uncoole Abstellkammer genauer betrachteten. Sie schien so übrig und so vergessen - sie rief einfach nach uns. Und die nächsten Szenen hätten einem Drehbuch entstammen können. Wir trafen uns Ende der neunziger mit Werkzeug und machten uns dort unten in dem kleinen Räumchen mal so richtig Platz. Die Tonfiguren kamen raus, die Regale wurden abmontiert, der gemauerte Ton-Ofen wurde „abgerissen“, mal so richtig durchgekehrt und die Fenster aufgerissen. Nachdem alles schön sauber war, legten wir uns einen großen
ausgemusterten Teppich aus und schon hatten wir Platz – Platz, um wieder einmal für jeden ein
Plätzchen zu bestimmen – wie damals im Gemeindesaal ...

... nur jetzt in unserem ersten eigenen Proberaum.

 
   

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